Storytelling: Erzählungen zählen auch im Tourismus

stern-Redakteur Ulrich Pramann (25) mit stern-Herausgeber Henri Nannen
stern-Redakteur Ulrich Pramann (25) mit stern-Herausgeber Henri Nannen

Neulich bin ich der Einladung der Kooperationsbörse gefolgt, veranstaltet von der
Tourismus-Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW). Es war ein sehr lohnender
Termin. Keynote-Speaker war Sascha Lobo, als Autor und Vortragsredner gefragt und
populär, er sollte Chancen und Herausforderungen der digitalen Zukunft des Tourismus
aufzeigen. Seine großen Themen sind Digitalisierung, Digitale Revolution, Digitale
Transformation – und wie dies die Gesellschaft und Wirtschaft tiefgreifend und schnell
verändert. Lobo ist auch bekannt dafür, dass er sich in Talkshows schon mal über manche Schlafmützigkeit hierzulande empört.

Klar, unsere Zukunft ist digital und vernetzt, da sind sich fast alle einig. Aber wie genau
entwickeln sich Gesellschaft und Wirtschaft? Welche Technologien werden groß und
entscheidend? Wie wirkt sich die rasante Entwicklung zum Beispiel auf den Tourismus aus?

 Ich möchte hier nur drei interessante Lobo-Thesen aufgreifen.

 

„Sofortness“

Wir, die Internetnutzer, erwarten einfach, dass alles immer ganz schnell gehen muss – sonst verlieren wir ganz schnell die Lust.

 

„Selfie-Potential“

Urlaubsorte müssen fotogene Kulissen bieten. Denn nur, was besonders attraktiv ist, wird schnell verbreitet. Lobo: „Instagram ist das
Reisebüro unserer Zeit... 48 Prozent der Generation, die um das Jahr 2000 geboren wurde, suchen sich Reiseziele über diese Plattform
aus. Für junge Leute spielt es eine Rolle, ob sich ein Urlaubsort für die Selbstinszenierung in sozialen Netzwerken eignet.“

 

„Storytelling“

Täglich werden über 200 Milliarden E-Mails verschickt. Sekündlich landen über 8.000 Fotos auf Snapchat. Pro Minute werden auf YouTube
mehr als 300 Stunden Videos hochgeladen. Uns erreichen etwa 10.000 Werbebotschaften – täglich. Kein Wunder, wenn da Anzeigen überblättert,
Plakate ignoriert und Werbepausen genutzt werden, um aufs Klo zu gehen.

Wie fallen Informationen denn überhaupt noch auf? Sie müssen in interessanten Geschichten verpackt werden, Geschichten über Menschen. Kommunikationsexperten nennen das: Storytelling.

Storytelling ist das Erzählen von Geschichten. Wer Medienkonsumenten und Leser berühren möchte, wird das nicht mit bloßen Fakten schaffen.
Damit eine Geschichte in Erinnerung bleibt, muss sie Emotionen erzeugen. Gute Geschichten begeistern, fesseln und reißen mit. Sie hauchen
kalten, nackten Zahlen Leben ein.

Wir filtern nach Inhalten, die uns berühren. Sicher erinnern sich noch viele an den Opi, der in einem Spot („Heimkommen“) seinen Tod
inszenierte, um seine Familie zu Weihnachten wieder um sich zu scharen? Oh ja, das ging unter die Haut.

 

Gute Geschichten bleibt in Erinnerung

Ein Beispiel aus der wissenschaftlichen Arbeit der Stanford University. Studenten hatten eine Minute, um eine Idee zu pitchen. Die meisten
nutzten Fakten, nur wenige erzählten Storys. Die Storys aber blieben 22 mal besser in Erinnerung. Warum? Weil sie uns emotional berühren.
Weil wir uns in einer Geschichte gerne in die Rolle der Helden oder der Heldin denken.

 

Gerne möchte ich an dieser Stelle etwas Persönliches erzählen. Ich habe mein journalistisches Handwerk vor vielen Jahren bei einem der
ganz Großen der Branche gelernt. Nach der Deutschen Journalistenschule in München begann ich als Redakteur beim „stern“. Damals war
Henri Nannen noch aktiv Chefredakteur und Herausgeber. Das Wochenmagazin hatte eine verkaufte Auflage von über zwei Millionen Exemplaren.
Dieser Erfolg hatte sicherlich auch damit zu tun, dass Nannen immer wieder auf sein Credo hinwies: „stern“-Geschichten sollten idealerweise
„an Menschen entlang erzählt“ sein. Denn, so seine Überzeugung: Nicht interessiert Menschen mehr – als Menschen.

Damals kannten wir den Begriff Storytelling noch nicht, und Sascha Lobo war gerade erst geboren.

 

Der wertvollen Anregung von Henri Nannen – nein, es war ja eher eine Ansage –, Geschichten möglichst zu personalisieren, bin ich immer gefolgt,
unbewusst und bewusst, bis heute.

 

Als Autor und als Herausgeber von Wanderbares Deutschland.